Lebensqualität nach chirurgischen Eingriffen. Eine Längsschnittstudie an Patienten mit Darmtumoren und -entzündungen

Weiss M (2005)


Publication Type: Thesis

Publication year: 2005

Abstract

Die chirurgische Behandlung von Darmtumoren und –entzündungen wurde in den letzten Jahrzehnten immer differenzierter. Dabei wurde vor allem versucht, den Anteil der Operationen, die einen dauerhaften künstlichen Darmausgang (Stoma) nach sich ziehen, auf ein Minimum zu reduzieren. Dadurch sollten Einschränkungen der Lebensqualität (LQ) verringert werden. Die Literatur zeigt aber, dass der Einfluss eines künstlichen Darmausgangs auf die LQ noch nicht endgültig geklärt ist. Die vorliegende Arbeit verfolgte das Ziel, die Auswirkungen einer Darmoperation auf die LQ der Patienten differenziert zu beschreiben. Daneben wurden in dieser Arbeit auch theoretische und methodische Hintergründe untersucht, z.B. zu Bedingungen und Korrelaten der LQ und zu Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Erhebungsverfahren. Die Studie folgte einem multimethodalen, längsschnittlichen und interdisziplinären Ansatz. Die LQ wurde vor der OP sowie drei und zwölf Monate postoperativ erfasst, bei Patienten mit temporärem Stoma zusätzlich drei Monate nach der Stomarückverlagerung. Zur Erfassung der LQ kamen ein generischer Fragebogen (SF-36; Bullinger & Kirchberger, 1998), ein krankheitsspezifischer Fragebogen (GLQI; Eypasch et al., 1993) und ein teilstrukturiertes Interview zum Einsatz. Daneben wurden Persönlichkeit, Krankheitsbewältigung, soziale Unterstützung sowie Ängste und Erwartungen erhoben, außerdem medizinische Daten wie Symptomatik, Behandlung und Komplikationsrate. Die Stichprobe umfasste 79 Patienten mit Dickdarmkarzinomen und -entzündungen, von denen 51 mindestens vorübergehend mit einem künstlichen Ausgang leben mussten. Es konnte gezeigt werden, dass der Einsatz standardisierter Fragebogenverfahren grundsätzlich geeignet zur LQ-Messung ist, dass aber einige Ergänzungen und Verbesserungen für die Zukunft wünschenswert wären. Das Interview erbrachte zusätzliche Informationen zum Sozialleben, zu krankheitsspezifischen Alltagsproblemen und zu Erwartungen, Ängsten und Bewertungen der Patienten. Es zeigte sich, dass Krebs- und Entzündungspatienten in einer sehr unterschiedlichen Situation waren: Entzündungspatienten berichteten von schlechten Ausgangswerten und einer postoperativen LQ-Steigerung, während sich die LQ der Tumorpatienten über den gesamten Untersuchungszeitraum im mittleren Bereich bewegte. Es ergaben sich Hinweise auf LQ-Einschränkungen von Stomapatienten, vor allem im funktionellen Bereich (Alltag, Leistung, Freizeit). Ein Stoma stellte in der Regel keine starke emotionale Belastung für die Patienten dar; psychische Anpassungsstörungen waren die Ausnahme. Allerdings fand sich bei Stomaträgern ein sehr hoher Anteil sexueller Einschränkungen. Auch die Partnerschaft litt stärker unter der Erkrankung als bei den Patienten ohne Stoma. Dagegen berichteten die Patienten eher von einer positiven Reaktion ihres weiteren Umfeldes, d.h. sie fühlten sich von ihren Freunden und Bekannten eher unterstützt und nur selten stigmatisiert. Männer hatten größere Schwierigkeiten als Frauen, sich an ein Stoma zu gewöhnen. Nach der Entfernung eines temporären Stomas verschlechterte sich die Symptomatik. Dennoch lagen keine Hinweise auf eine langfristige Verschlechterung der LQ vor. Allerdings hätten sich viele Patienten nach der Rückverlagerung den Krankheitsverlauf einfacher vorgestellt. Körperliche Symptome erwiesen sich als relevanter Prädiktor der postoperativen LQ. Dies betrifft weniger krankheitsspezifische Symptome (Verdauung, Ernährung) als unspezifische Symptome, die bei vielen anderen Gesundheitsproblemen in ähnlicher Weise auftreten können, z.B. Müdigkeit und Schlafstörungen. Objektive medizinische Daten (z.B. Komplikationsrate, Chemotherapie) stellten sich als schwache Prädiktoren der LQ heraus. Die Persönlichkeit war gut zur Vorhersage der LQ, vor allem im psychischen Bereich, geeignet. Dabei stellte sich insbesondere das Kohärenzgefühl als relevant heraus. Auch die in der Literatur vielfach postulierte Rolle einer depressiven Krankheitsverarbeitung für das psychische Wohlbefinden konnte bestätigt werden. Für die soziale Unterstützung waren deutlichere Zusammenhänge zur LQ erwartet worden. Ähnliches gilt für die präoperativen Erwartungen der Patienten. Patienten, die schon vor der OP eine schlechte LQ hatten, waren mit größerer Wahrscheinlichkeit auch danach in einem schlechteren Zustand. Dies legt nahe, Risikopatienten mit sehr schlechten Ausgangswerten frühzeitig zu identifizieren. Ähnliches gilt für Patienten, die einer Stomaanlage sehr ablehnend gegenüber stehen, und Patienten mit labiler und wenig kohärenter Grundpersönlichkeit.

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Weiss, M. (2005). Lebensqualität nach chirurgischen Eingriffen. Eine Längsschnittstudie an Patienten mit Darmtumoren und -entzündungen (Dissertation).

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Weiss, Maren. Lebensqualität nach chirurgischen Eingriffen. Eine Längsschnittstudie an Patienten mit Darmtumoren und -entzündungen. Dissertation, 2005.

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