Sozial-Emotionale Verlaufsdiagnostik im Anfangsunterricht (SEVA)

Internally funded project


Acronym: SEVA

Start date : 01.06.2024


Project details

Scientific Abstract

Finanzierung:

finanziert aus Eigenmitteln


Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand: 

Grundschullehrkräften kommt eine große Verantwortung zu: Im Sinne grundlegender Bildung sollen sie Grundschulkinder u. a. auch dabei unterstützen, komplexe Emotionen zu erkennen, zu verstehen und zu regulieren (emotionales Lernen) sowie dabei helfen, Freundschaften zu entwickeln und ihren Status innerhalb der Peer-Group zu finden (soziales Lernen; Beelmann, 2019). 

Untersuchungen belegen ein grundsätzlich positives sozial-emotionales Erleben von Grundschulkindern (Frey & Wendt, 2016; Petermann & Petermann, 2014). Gerade im emotionalen Bereich wurden allerdings bereits in der Grundschule negative Entwicklungen aufgezeigt (z.B. Hagenauer et al., 2011; Vierhaus et al., 2016). Des Weiteren zeigen Befragungen von Lehrkräften, dass insbesondere während der pandemiebedingten Schulschließungen nur wenige Angebote zur Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung bereitgestellt wurden (z.B. Meyer & Elting, 2022). 

In den wenigen existierenden Studien zum sozial-emotionalen Erleben werden in der Regel lediglich einzelne Aspekte untersucht. Zudem werden selten längsschnittliche Analysen durchgeführt (Elting, 2019; Vierhaus et al., 2016). In den meisten Fällen findet der Anfangsunterricht keine Berücksichtigung. Ebenso existiert eine Lücke im Bereich anwendungsorientierter Verlaufsdiagnostiken. 


Ziele und Fragestellungen 

Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt SEVA das Ziel, ein digital gestütztes Instrument zur Verlaufsdiagnostik zu konzipieren und zu evaluieren (vgl. Gebhardt, 2023). Dieses Instrument soll es Lehrkräften ermöglichen, kontinuierlich automatisiert aufbereitete Rückmeldungen zum sozial-emotionalen Erleben ihrer Schüler:innen zu erhalten. Auf diese Weise wird eine systematische Beobachtung individueller Entwicklungsverläufe über längere Zeiträume hinweg unterstützt. Lehrkräfte können dadurch frühzeitig Förderbedarfe identifizieren, gezielt reagieren und zeitnah Unterstützungsmaßnahmen einleiten. Die Rückmeldungen dienen zugleich als Ausgangspunkt für adaptive Fördermaßnahmen, die durch begleitende Fortbildungsangebote gezielt angeregt und unterstützt werden. 

Das Projekt gliedert sich in zwei Teilprojekte:

Im Rahmen von Teilprojekt 1 werden leitfadengestützte Interviews mit ca. N = 35 Grundschullehrkräften durchgeführt. Dabei sind die folgenden Fragestellungen relevant:

1)  Wie gut haben Lehrkräfte ihrer eigenen Einschätzung nach das sozial-emotionale Erleben ihrer Schüler:innen im Blick? 

2)  Welche Herausforderungen nehmen sie dabei wahr? 

3)  Welchen Nutzen sehen Lehrkräfte in digitalen Rückmeldesystemen für die Diagnostik und Förderung? 

4)  Welche Anforderungen müsste ein solches System aus Sicht der Lehrkräfte erfüllen, um im Schulalltag praktikabel zu sein?


Teilprojekt 2 wird als quantitatives, längsschnittlich angelegtes Forschungsdesign umgesetzt, das die sozial-emotionale Entwicklung von Schulanfängerinnen und Schulanfängern über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren systematisch erfasst. Zu diesem Zweck wird ein digital gestütztes Erhebungsinstrument entwickelt und in die Lernplattform LEVUMI integriert. Dieses Instrument ermöglicht es Lehrkräften, automatisierte Rückmeldungen zum sozial-emotionalen Erleben ihrer Schüler:innen zu erhalten und unmittelbar darauf zu reagieren. Dabei kommen Erhebungsinstrumente zum Einsatz, die die Bereiche Emotionen, Wohlbefinden und soziale Integration (Hascher, 2004; Meyer et al., angenommen; Pekrun et al., 2005; Venetz et al., 2014) abdecken. Darüber hinaus werden verschiedene soziodemografische Daten (z.B. Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund, sozioökonomischer Status) erfasst, die mit den erhobenen Konstrukten in Beziehung gesetzt werden sollen. Diese Instrumente befinden sich derzeit in der Pilotierungsphase mit rund 20 Grundschulklassen (N = 296). Ergänzend dazu werden die Fremd- und Selbsteinschätzungen der Kinder systematisch miteinander verglichen, um Übereinstimmungen und Abweichungen in der Wahrnehmung des sozial-emotionalen Erlebens gezielt zu analysieren.

Daraus ergeben sich für Teilprojekt 2 folgende Fragestellungen: 

1)  Wie entwickelt sich das Erleben im sozial-emotionalen Bereich von Schüler:innen im Anfangsunterricht über den Verlauf eines Schuljahres? 

2)  Welche Angebote machen Lehrkräfte den Schüler:innen im Anfangsunterricht zur Unterstützung der sozial-emotionalen Entwicklung? 

3)  Empfinden Lehrpersonen eine kontinuierliche, digital automatisiert aufbereitete Rückmeldung zum Erleben im sozial-emotionalen Bereich ihrer Schüler:innen als hilfreich? 

4)  Zeigen sich Übereinstimmungen zwischen den Einschätzungen der Lehrkräfte in Bezug auf das sozial-emotionale Erleben der Schüler:innen und den Angaben der Schüler:innen selbst?

5)  Wirken sich die Maßnahmen der Lehrpersonen auf die sozial-emotionale Entwicklung der Schüler:innen aus? 


Zitierte Literatur 

Beelmann, A. (2019). Entwicklung und Förderung der Sozialentwicklung im Vor- und Grundschulalter. In B. Kracke & P. Noack (Hrsg.), Handbuch Entwicklungs- und Erziehungspsychologie (S. 147-161). Springer. 

Elting, C. (2019). Potenzielle Stellschrauben zur Förderung sozialer Kompetenz und sozialer Integration. Ergebnisse der Längsschnittstudie KOMENSKI. In H. Knauder & C.-M. Reisinger (Hrsg.), Individuelle Förderung im Unterricht (S. 25-36). Waxmann. 

Frey, K. A. & Wendt, H. (2016). Soziale Kompetenz von Kindern in Deutschland am Ende der Grundschulzeit. In H. Wendt et al. (Hrsg.), TIMSS 2015. Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich (S. 333-350). Waxmann. 

Gebhardt, M. (2023). Pädagogische Diagnostik. Leistung, Kompetenz und Entwicklung messen, bewerten und interpretieren für individuelle Förderung [Dissertation, Universität Regensburg]. https://doi.org/10.5283/epub.54073 

Hagenauer, G., Hascher, T. & Reitbauer, E. (2011 ). Freudeerleben in der Grundschule. Sache, Wort, Zahl, 39(117), 4-10. 

Hascher, T. (2004). Wohlbefinden in der Schule. Waxmann 

Lichtenfeld, S., Pekrun, R., Marsh, H., Nett, U. & Reiss, K. (2022). Achievement emotions and elementary school children’s academic performance: Longitudinal models of developmental ordering. Journal of Educational Psychology.

Meyer, S. & Elting, C. (2022). Erfolge und Förderbedarfe der Grundschule: Forschungsüberblick zu grundlegenden Bildungserträgen. Grundschule, 5, 14-20. 

Meyer, S., Schlesier, J. & Lichtenfeld, S. (angenommen). Die Bedeutung emotionalen Erlebens beim Lesenlernen im Anfangsunterricht der Grundschule: Entwicklung und Pilotierung eines Fragebogens (AEQ-REES). Jahrbuch Grundschulforschung (Band 29). Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Pekrun, R., Götz, T. & Frenzel, A. C. (2005). Achievement Emotions Questionnaire – Mathematics (AEQ-M). German Version – User´s Manual. Department of Psychology. 

Petermann, U. & Petermann, F. (2014). Schülereinschätzliste für Sozial- und Lernverhalten. Hogrefe. 

Reinmann, G. (2005). Innovation ohne Forschung? Ein Plädoyer für den Design-Based Research-Ansatz in der Lehr-Lernforschung. Unterrichtswissenschaft, 33, 52-69. https://doi.org/10.25656/01:5787 

Venetz, M., Zurbriggen, C. & Eckhart, M. (2014). Entwicklung und erste Validierung einer Kurzversion des "Fragebogens zur Erfassung von Dimensionen der Integration von Schülern (FDI 4-6)" von Häberlin, Moser, Bless und Klaghofer. Empirische Sonderpädagogik, 6(2), 99-113. https://doi.org/10.25656/01:9247 

Vierhaus, M., Lohaus, A. & Wild, E. (2016). The development of achievement emotions and coping/emotion regulation from primary to secondary school. Learning and lnstruction, 42, 12-21. 



Involved:

Contributing FAU Organisations:

Research Areas