Third party funded individual grant
Start date : 06.11.2019
End date : 08.11.2019
Mit Lesen wird typischerweise eine wertvolle Kulturtechnik und etwas intellektuell Aufwändiges in Verbindung gebracht. Es wird häufig mit Buchlesen und Buchnutzung gleichgesetzt; andere Lesemedien, -situationen und -anforderungen bleiben in den üblichen Zuschreibungen unberücksichtigt oder werden graduell abgewertet. Menschen lesen jedoch nicht nur, wenn sie spezifische und eigens definierte Lesemedien wie Buch oder Zeitung nutzen: Schriftcodierte Zeichen präsentieren sich in allen täglichen Lebenslagen und auf allen erdenklichen Oberflächen.
Um das Totalphänomen Lesen zu fassen und um für seine Ubiquität zu sensibilisieren, reicht der gerade im deutschsprachigen Raum stark literarisch-ästhetisch geprägte Lesebegriff nicht mehr aus. Mehr noch: Der print- und literaturgeprägte Lesebegriff ist angesichts des beträchtlichen Anteils von Menschen mit unzureichenden Lesekompetenzen unter Kindern, Jugendlichen und in der erwachsenen Bevölkerung geradezu kontraproduktiv, weil er den Erwerb von Lesekompetenz einer bildungsprivilegierten und kulturaffinen Bevölkerungsschicht vorzubehalten scheint.
Die Erforschung dieses Totalphänomens ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass es ›die‹ Leseforschung nicht gibt. ›Lesen‹ ist einerseits Gegenstand ganz unterschiedlicher Disziplinen, wie Kognitionspsychologie, Didaktik, Pädagogik, Literaturwissenschaft, Linguistik oder Buchwissenschaft, es wird andererseits aber auch in einigen Disziplinen nicht thematisiert, obwohl Relevanz durchaus gegeben wäre (z. B. in der Kommunikationswissenschaft).
Das Symposium erschließt daher Lesen als vielschichtiges und interdisziplinäres Phänomen. Es bringt Expertinnen und Experten verschiedener Disziplinen sowie unterschiedlicher wissenschaftlicher oder beruflicher Karrierestufen zusammen. Ziel des Symposiums ist es, Lesen als gesellschaftliches Totalphänomen sowie interdisziplinären Forschungsgegenstand differenzierter und klarer zu konturieren und aus der Engführung auf das ›Lesen guter Bücher‹ herauszuführen